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Mentale Stärke im Golf
Yannick Rosenberger im Gespräch

Mentale Stärke im Golf – Yannick Rosenberger im Gespräch

28. Jan. 2025 0

Wie Ihr wisst, liebe ich den Inhalt des Buches „Der 15. Schläger“ von Dr. Bob Rotella. Bereits mehrfach habe ich es gelesen und trotzdem tauche ich immer mal wieder in die verschiedenen Kapitel des Buches ein, um die beschriebenen Szenen vor meinem inneren Auge ablaufen zu lassen. Faszinierend, was möglich ist, wenn das Selbstvertrauen magisch ist und man aus dem Vollen schöpfen kann. Tja, das möchte ich auch, wer nicht? Ich wünsche mir mehr Beständigkeit im Golfspiel und möchte mental viel stärker werden. Doch wie und wo kann man das lernen?

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Auf Empfehlung kam ich zu Yannick Rosenberger und kurzerhand verabredeten wir uns zum Gespräch. Freunde, das war magisch. Ein echtes Feuerwerk. Ich liebe es, mit Menschen zusammen zu sein, die Leidenschaft in sich tragen und Visionen haben. Das ist so inspirierend.
Starten wir doch mit einem Interview…

Golf ist ein großartiger Sport, bei dem Technik, Strategie und mentale Stärke eng miteinander verbunden sind. Doch während das physische Training oft im Fokus steht, wird die mentale Seite des Spiels noch immer unterschätzt. Yannick Rosenberger, Diplom-Mentaltrainer, ehemaliger Bundesliga-Golfer, LinksHandWeltmeister und Host des Podcasts „GOAL IN ONE“, zeigt, warum mentale Stärke für Golfer so wichtig ist und wie jeder von uns diese Fähigkeit entwickeln kann.

1. Yannick, mentale Stärke klingt oft wie ein großes, schwer zu greifendes Konzept. Wie würdest du jemandem erklären, was es bedeutet – gerade im Golf?

Mit der Beantwortung dieser Frage habe ich mich anfangs meiner beruflichen Tätigkeit als Mentaltrainer relativ schwer getan, weil mentale Stärke, oder Mentaltraining, oder auch die Psychologie im Grunde ein wahnsinnig komplexes Thema sind. Dann habe ich auf einem Seminar eine fantastische Interpretation gehört: Mental stark bist du, wenn das Vertrauen größer ist als die Zweifel. Stell dir einmal vor, du hättest in jeder Situation auf dem Golfplatz mehr Vertrauen als Zweifel, wie viel besser würdest du wohl spielen? Mentale Stärke bedeutet aber nicht nur, dass du in mehr oder sogar in allen Situationen aus dem Vertrauen heraus handelst, sondern dass du vor allen Dingen für alle Situationen auf dem Golfplatz einen klaren Plan hast. Die Golfer versuchen leider die Kontrolle über alles auf dem Golfplatz zu übernehmen und meistens bezieht sich das vor allen Dingen auf die Schläge und das Schlagergebnis oder sogar das Endergebnis. Doch leider liegt genau das nicht in unserem Einflussbereich. Das Ziel ist es, sich ausschließlich auf die Dinge zu konzentrieren, die ich auch wirklich beeinflussen und kontrollieren kann, die Schläge selbst machen vielleicht 5 Minuten meiner Golfrunde aus (Wenn ich die Schlagvorbereitung hinzuziehen sind es ca. 30-45 Minuten) und genießen meine volle Aufmerksamkeit. Die Idee ist es, es zu schaffen, sich mehr auf die anderen vier Stunden zu konzentrieren, in denen ich nahezu alles beeinflussen kann.

3. Gab es in deiner Karriere einen besonderen Moment, in dem du erkannt hast, wie entscheidend die mentale Komponente für deinen Erfolg war?

Ja, den gab es definitiv. Ich habe im Jugend- oder jungen Erwachsenenalter von meinen Trainern immer wieder gesagt bekommen, dass ich wohl relativ talentiert sei und auch das Potenzial habe, noch deutlich besser zu werden, ich aber mental etwas machen muss, damit sich mein Spiel wirklich nochmal stark verbessern kann. Ich habe auch immer wieder Bücher von Bob Rotella zum Geburtstag und zu Weihnachten geschenkt bekommen, die ich brav in das Bücherregal gestellt habe.
Dann kam das Jahr 2015, in dem Jahr lief nicht viel in die richtige Richtung. Weder privat noch golferisch noch körperlich. Mein Spiel wurde von Woche zu Woche schlechter und mein Frust natürlich von Woche zu Woche größer. Da ich bis zu diesem Zeitpunkt jemand war, der sich nur mit dem Ergebnis identifiziert hat und meine Laune maximal abhängig vom Ergebnis war mit leicht perfektionistischen Tendenzen, kann man sich vorstellen, dass der Spaßfaktor beim Golf aktuell nicht ganz so hoch war. An einem wunderbaren Sommertag, kam es dann zum Höhepunkt. DGL Heimspieltag. Ich habe das schlechteste Golf meines Lebens gespielt, auf den letzten Löchern habe ich mehrfach den Schlag abgebrochen, weil ich keine Idee mehr hatte, wie ich das Fairway treffen soll. Am Ende habe ich eine 90 gespielt, was für mich außerhalb meiner Vorstellungskraft lag. Ich habe anschließend meinem Captain mitgeteilt, dass ich eine Pause mache. Und ich wusste zu diesem Zeitpunkt ehrlich gesagt nicht, ob ich die Schläger an den Nagel hänge. Durch diese Pause habe ich ja jetzt etwas mehr Zeit gehabt und habe mir mal das ein oder andere Buch von Bob Rotella durchgelesen. Nachdem ich mich in jedem zweiten Negativbeispiel wiedergefunden habe, wurde mir langsam klar, dass meine Trainer und mein Umfeld vielleicht doch Recht hatten, und das ein Thema ist, an dem ich wirklich arbeiten muss. Bis zu dem Zeitpunkt war ich der festen Überzeugung, dass wenn ich einen Ball im Turnier ins Aus schlage, das ausschließlich an der Technik liegen kann und ich einfach noch mehr trainieren muss. Dieses Erlebnis war sozusagen der Startpunkt meiner heutigen Tätigkeit als Mentaltrainer. Ich habe durch Mentaltraining den für mich größten Erfolg im Golf errungen ich habe wieder Spaß am Spiel und das einigermaßen ergebnisunabhängig. Wenn ich diesen Weg nicht gegangen wäre würde ich heute mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Golf mehr spielen.

5. Viele Spieler fühlen sich nach einem schlechten Schlag frustriert oder blockiert. Wie kann man lernen, solche Momente hinter sich zu lassen?

Hierfür sind 2 Dinge wichtig. Als erstes muss ich durch eine gute Schlagverarbeitungsroutine lernen, den Schlag wirklich zu VERARBEITEN. Ignorieren und verdrängen, oder sich weiter damit beschäftigen, bringt leider überhaupt nichts. Jetzt muss ich etwas weiter ausholen. Bei der Schlagverarbeitungsroutine nutzen wir das sogenannte Reframing. Reframing bedeutet, ich erlebe eine Situation nochmal neu. Die erste Frage, die sich jeder Golfer nach einem schlechten Schlag stellt, ist: Was habe ich falsch gemacht? Entweder findest du eine Antwort auf diese Frage, die dir sehr wahrscheinlich nichts bringt, oder du findest keine Antwort auf diese Frage. Beide Möglichkeiten helfen dir überhaupt nicht. Deshalb wollen wir diese Frage ab jetzt ersetzen. Anstatt dich zu fragen, was du falsch gemacht hast, fragst du dich in Zukunft: Was wolltest du tun? Und im besten Fall führst du das Ganze gleich noch praktisch aus. Das heißt, du stellst dich nochmal an Ort und Stelle, oder ein Stück an die Seite, um niemanden zu stören und machst nochmal einen Probeschwung, am besten in Zeitlupe. Und jetzt gehst du nochmal körperlich durch, was du eigentlich tun wolltest. Es kann sein, dass deine  technische Aufgabe ist, etwas mehr von innen an den Ball zu kommen, also gehst du in deinem Probeschwung noch mal durch, wie du schön von innen an den Ball kommst. Oder du machst nochmal einen Probeschwung und im Finish stellst du dir nochmal vor wie der Ball hätte fliegen sollen. Also wo soll der Ball hin starten und wo sollte der Ball landen. Das hinterlässt im Gehirn eine positive Notiz. Du gehst damit außerdem der Frage aus dem Weg, was du falsch gemacht hast und gibst dir damit die beste Chance den Schlag wirklich an Ort und Stelle zu verarbeiten. Sobald du deinen Schläger wieder in die Tasche gepackt hast, sollte dein Gedankengang sein: Genau das, was ich gerade eben nochmal durchgegangen bin, mache ich jetzt beim nächsten Schlag.

Der zweite Punkt ist, dass ich verstehen muss, dass ich keine viereinhalb Stunden konzentriert sein kann. Das bedeutet, ich brauche ein gesundes Verhältnis zwischen Anspannung und Entspannung. Eine gewisse Form der positiven Anspannung brauche ich beim Schlag um mich konzentrieren zu können. Das kostet mich aber Energie. Um diese Energie überhaupt aufbringen zu können, muss ich den Akku zwischen den Schlägen wieder aufladen. Das heißt, nachdem du den Schlag verarbeitet hast, ist dein Job dich zu entspannen. Du kannst zum Beispiel das Gespräch mit seinem Flightpartner suchen, kannst über den letzten oder den nächsten Urlaub nachdenken. Du kannst dich mit der Natur ablenken oder darüber nachdenken, was du nach der Golfrunde machst. Umso mehr du dich von der aktuellen Situation distanzierst, umso entspannter wirst du. Damit gibst du dir die beste Chance, eine Blockade aufzulösen oder erst gar nicht zuzulassen, außerdem kannst du, wenn du es schaffst, dich zwischen den Schlägen zu entspannen kaum richtig frustriert sein.

7. Gibt es eine kleine Übung oder Technik, die du Golfern empfehlen würdest, um im nächsten Training bewusster mit der mentalen Seite ihres Spiels zu arbeiten?

Im besten Fall arbeitest du in jedem Training an deiner Routine. Hierfür reichen ein paar Bälle, um diesen Ablauf weiter einzustudieren und immer gefestigter darin zu werden. Hierbei würde ich mich auf folgende Dinge konzentrieren. Erstens: mach dein Ziel so klein wie möglich. Wenn du auf einen Baum zielst, nimm die linke oder rechte Kante. Wenn du auf ein Entfernungsschild zielst, nimm die rechte obere Kante. Mache dein Ziel so klein wie möglich. Zweitens: Kreiere eine klare Vorstellung von deinem Schlag. Visualisiere den Schlag, bevor du an den Ball heran trittst. Je klarer und besser deine Vorstellung von dem Schlag, umso größer ist dein Vertrauen, wenn du an den Ball heran trittst. Wenn du am Ball stehst, solltest du darauf achten, beim einnehmen deines Setups bis zu dem Punkt an dem du bereit bist den Schlag auszuführen, körperlich leicht in Bewegung zu bleiben. Ein leichtes tippeln mit den Füßen oder den Schläger anheben und leicht damit wackeln. Das mag sich jetzt erst einmal komisch anhören, aber wenn du leicht in Bewegung bist, bist du locker. Der größte Feind am Ball ist das Verkrampfen des Körpers. Wenn dein Körper verkrampft ist, ist es nahezu unmöglich einen lockeren und entspannten Schwung auszuführen. Als letzten Punkt, bevor du schlägst, solltest du immer noch einen letzten langsamen Blick in Richtung Ziel richten. Der Ball liegt ganz ruhig da und bewegt sich nicht. Daher muss ich ihn auch nicht dauerhaft beobachten. Du willst das Spielgerät (Den Ball) zu deinem Ziel schlagen. Deshalb sollte der letzte Gedanke auch immer dein Ziel sein.

9. Du sprichst oft von Selbstvertrauen als Schlüssel zum Erfolg. Was können Golfer tun, um mehr Vertrauen in ihre Fähigkeiten aufzubauen – auch abseits des Platzes?

Der erste Schritt dazu ist, sich seiner Stärken bewusst zu sein. Wir denken selten an unseren besten Spielbereich, aber sind uns unseren schwachen Spielbereichen immer bewusst. Golf ist ein wirklich schwieriger Sport und jeder der lange genug Golf spielt weiß genau, dass es wenig Phasen in der gesamten Karriere gibt, wo wirklich jeder Spielbereich optimal funktioniert. Das bedeutet, es gibt immer etwas zu bearbeiten. Das ist auch richtig und wichtig, allerdings mental sehr kontraproduktiv. Wenn du dich immer nur auf deine Schwächen konzentrierst, wirst du immer eher aus deinen Zweifeln als aus deinem Vertrauen heraus handeln.

Um dir deine Stärken bewusst zu machen, kannst du eine sogenannte Stärkenliste anlegen. Hier schreibst du alle deine Stärken auf für dein Golfspiel, dich persönlich und im beruflichen Kontext. Einfach alles was dir einfällt. Du solltest mindestens auf 20 Punkte kommen. Wenn dir beim ersten Anlauf nicht genügend Punkte einfallen, setze dich einen Tag später nochmal ran.

Diese Liste solltest du dir mindestens einmal pro Woche intensiv durchlesen. Es schadet natürlich nicht, wenn du dir die Liste mehrmals die Woche durchliest.
Was passiert im Laufe der Zeit? Du bist dir im ersten Schritt deiner Stärken bewusster. Du konzentrierst dich mit der Zeit immer mehr auf deine Stärken, was dein Selbstvertrauen nach und nach verbessert und die automatische Fokussierung auf deine Schwächen langsam abbaut.
Natürlich gibt es hier etliche weitere Möglichkeiten, die dir dabei helfen, das Selbstvertrauen zu verbessern, das ist allerdings schon mal ein guter erster Schritt in die richtige Richtung.

Yannick Rosenberger Diplom Mentaltrainer

Yannick Rosenberger Diplom Mentaltrainer

Herzlichen Dank an Yannick Rosenberger, dass er seine Gedanken und Erfahrungen mit uns geteilt hat!

Wie seht ihr das Thema mentale Stärke im Golf? Habt ihr schon Erfahrungen gemacht oder Tipps, die euch geholfen haben? Teilt eure Gedanken und Fragen unten in den Kommentaren – wir freuen uns auf den Austausch!

Wenn euch das Thema interessiert, empfehlen wir euch Yannicks Podcast „GOAL IN ONE“ Link zum Podcast und seine Websites www.yannickrosenberger.de und deingolfcoach.de, wo ihr weitere spannende Einblicke in die mentale Welt des Golfsports erhaltet.

Lasst uns gemeinsam diese wichtige Seite des Spiels entdecken – Schritt für Schritt!

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